Die Lagerbedingungen in Rochlitz

In Rochlitz gab es mehrere Standorte des Lagers. Häftlinge berichteten von mehreren Umzügen in verschiedene Baracken, die mehr oder weniger weit vom Arbeitsort entfernt waren.1

Einige lebten zeitweise in primitiven Erdbunkern auf einem Gelände östlich der Mulde, andere in neu errichteten Baracken. Die Unterkünfte waren schlecht beheizt, so litten die Frauen sehr unter der winterlichen Kälte.2

Den Aussagen der in Rochlitz inhaftierten Frauen zufolge waren die Bedingungen im Lager erträglich bis gut. Vielfach wurde diese Einschätzung in Relation zu den vorausgegangenen Erfahrungen in Auschwitz und Bergen-Belsen getroffen. Laut späteren Ermittlungen kam es in Rochlitz weder zu Todesfällen als Folge von Tötungen, Seuchen, Hunger oder Erschöpfung, noch wurden die Häftlingsfrauen im Lager oder auf bei der Arbeit geschlagen.3

Die Inhaftierte Lea Tanzmann beschreibt das Lager bei ihrer Vernehmung mit folgenden Worten:

„Das Lager war ganz nah der Fabrik gebaut worden. Es waren Holzbaracken ganz neu gebaut. Es war rein und nach der Hölle von Birkenau und den Bedingungen von Bergen-Belsen schien es uns wunderbar.“4 Im mit Stacheldraht umzäunten Lager befanden sich neben den Baracken für die Häftlinge, die mit elektrischem Zaun gesichert waren, auch eine Baracke in der acht SS-Frauen als Bewacherinnen und eine Baracke für die Küche untergebracht waren.5 Die Lagerordnung in Rochlitz war wie in anderen Lagern. Einige Häftlingsfrauen wurden zu Funktionshäftlingen wie „Blockälteste“ oder „Lagerälteste“ benannt. Es gab, wenn auch unregelmäßig, Appelle.6

Das Lager Rochlitz verfügte über eine sehr mangelhafte medizinische Versorgung. Es gab eine Krankenbaracke, aber kaum Medikamente für die Inhaftierten.7 In den Transportlisten ist eine russische Ärztin aufgeführt. Einige Häftlingsfrauen erinnern sich auch an eine Wiener Ärztin namens Sabrina8, die ihnen zum Teil sehr positiv in Erinnerung war. Renee Renia Hoffmann erkrankte kurz nach ihrer Ankunft in Rochlitz an Diphtherie und wurde von der Fabrik zu der Wiener Ärztin gebracht:

„Sie zeigten uns was zu tun ist. Und der Vorarbeiter war hinter mir. Ich fühlte mich nicht gut. So nahm er mich zurück zum Block und dort war eine Ärztin aus Wien, eine Halbjüdin. Und sie sagte: Etwas stimmt nicht mit deinen Mandeln. (…) Sie sagte: Ich habe keine Medizin für dich. Sie sagte zu den Deutschen: Sie wird sterben, wenn sie kein Serum, keine Injektion bekommt. Sie riefen einen Arzt aus der Stadt, einen deutschen Arzt, und er gab mir die Injektion“9

Als die Bombardierung von Leipzig begann, gab es auch Fliegeralarm in Rochlitz. Bei den Jüdinnen im Lager löste dies auch Freude und Hoffnung auf Befreiung aus:

„Dann begann die Bombardierung von Leipzig, währenddessen wir draußen tanzten in den größten Bombardierungen. Wir schrien nicht, weil wir ängstlich waren. Wir waren glücklich zu sehen, was los ist. Leipzig brannte - Nacht für Nacht.“10

 

 

1BA Ludwigsburg B 162/18257 , Blatt 29, Vernehmung der ehemaligen Häftlingsfrau Teresa Singer durch israelische Polizei in Beit Dagan, Israel vom 26.8.1968

2Seubert 1989, S.26

3Vgl.: BA Ludwigsburg B 162/18257 , Blatt 145, Aktenvermerk des Staatsanwaltes Heinzelmann in Ludwigsburg vom 14. November 1975

4BA Ludwigsburg B 162/18257 , Blatt 26, Vernehmung der ehemaligen Häftlingsfrau Lea Tanzmann durch israelische Polizei in Beit Dagan, Israel vom 23.8.1968

5Hofmann, Gerhard: Verschleppt-Ausgebombt-Vertrieben-Befreit, In: Nochmal davongekommen. Alltag in der Region Chemnitz-Rochlitz-Zwickau 1939-1945. Niederfrohna 2005, S.191

6BA Ludwigsburg B 162/18257 , Blatt 24, Vernehmung der ehemaligen Häftlingsfrau Edit Berkowicz Edit Berkowicz durch israelische Polizei in Beit Dagan, Israel vom 30.7.1968

7Vgl: Katalin Loffler, videografiertes Interview durch das University of Southern California Shoah Foundation Institute for Visual History and Education, N.Y., USA

8Vgl.: Sophie Lippa, Kochmann, videografiertes Interview durch das University of Southern California Shoah Foundation Institute for Visual History and Education, N.Y., USA

9Renee Renia Kochmann, videografiertes Interview durch das University of Southern California Shoah Foundation Institute for Visual History and Education, N.Y., USA , Übersetzung Jakob Warnecke: They show us what to do. And the foremen was behind me. I didnt feel well. So he took me back to the block and where was a doctor from viena, a half jew, and she said: You have something wrong with your tonsils. (…) She said: I have no medication for you, but nobody can come in to you. She said to the germans: She will die, she didnt get the serum, the injection. So they called from the town a doctor, Lagerman doctor and he gave me the injection.“

10Sophie Lippa, videografiertes Interview durch das University of Southern California Shoah Foundation Institute for Visual History and Education, N.Y., USA Übersetzung Jakob Warnecke: "And then it starting the bombing of Leipzig, who we dancing outside in the biggest bombings. We are not screaming (...) We were happy to see what is going on. Leipzig was on fire -night after night!"